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Den Schmerz verstehen – Teil 3: Die Entzündung

Nachdem wir nun aus Teil 1 und Teil 2 wissen, was Schmerz überhaupt ist, welche Arten von Schmerz es gibt und so weiter möchte ich mich nun einem Wort zuwenden, daß meiner Meinung nach so gut wie keine Aussagekraft hat, dafür aber viel zu häufig gebraucht wird: Entzündung.

Da ist eine Entzündung drin, da…

… müssen Sie abwarten!
… diesen Entzündungshemmer nehmen!
… einen Eisbeutel draufpacken!

Etwas in dieser Art kennen wahrscheinlich die meisten, aber: was ist eigentlich diese „Entzündung“? Wer oder was ist denn da angezündet? Brennt da etwas ab? Wie kann ich das wieder löschen?

Zunächst einmal die Definition: eine Entzündung ist eine vermehrte Aktivität im Gewebe, mehr nicht! Die sogenannten „Kardinalzeichen“ einer Entzündung sind Rötung, Schwellung, Wärme, Schmerz und Funktionseinschränkung. Das sind aber nur die Anzeichen dafür, daß irgendetwas im Körper geschieht, die Entzündung ist also die Wirkung, nicht die Ursache. Aus diesem Grund ist es zwar manchmal durchaus sinnvoll, Medikamente, Eisbeutel oder sonstiges zu nutzen, aber wichtiger ist es, die Ursache zu finden und zu beseitigen.

Was aber kann die Ursache für eine Entzündung sein?
Man kann zunächst sterile, nicht sterile und mechanische Entzündungen voneinander unterscheiden.

Die mechanische Entzündung entsteht durch einen Einfluss von innen oder außen. Beispiele für eine äußere Ursache sind Prellungen, Umknicken, selbst ein Knochenbruch, das alles sind mögliche Ursachen für Entzündungen. Bei diesen Beispielen kommt es unter anderem zu einer Verletzung von Blutgefäßen, Blut tritt ins Gewebe aus und wird dort als Fremdkörper erkannt, denn Blut gehört nur in die Blutgefäße, nicht in die Umgebung. Relativ kurz nach der Verletzung tritt also eine lokale Reaktion ein, eine erhöhte Aktivität im Gewebe, um die Fremdstoffe dort abzubauen.
Auch eine Überanstrengung der Muskulatur oder eine Überlastung der Gelenke führt zu einer lokalen Entzündung. Diese kann schnell und von selbst wieder verschwinden, in hartnäckigeren Fällen braucht es dann Hilfe von außen.

Innere Ursachen sind unter anderem Stoffwechselstörungen. Eine Entzündung durch Stoffwechselstörungen liegt beispielsweise vor, wenn ein Gallenstein den Ausgang des Gallenganges versperrt und es zu einem Rückstau von Sekreten in Leber und Gallenblase, aber auch in die Bauchspeicheldrüse kommt. Auch Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Hashimoto-Thyreoiditis (eine Erkrankung der Schilddrüse) verursachen solche sterilen, allerdings nicht mechanischen Entzündungen. Aus meist unbekannten Gründen ergreift der Körper Abwehrmaßnahmen gegen sich selbst…!

Im Gegensatz dazu stehen die nicht-sterilen Entzündungen, verursacht durch Viren, Bakterien, Pilze oder sonstige Gifte. Aber auch verunreinigte Verletzungen, ohne irgendwelche Keime oder Erreger, führen zu einer Entzündung.
Wenn etwas in Kontakt mit dem Körper kommt, das nicht dorthin gehört, dann wird dort die Aktivität erhöht, um es wieder loszuwerden, so einfach ist das.

Natürlich ist es in vielen Fällen überhaupt nicht einfach. Bakterien, Viren und Pilze können sich oftmals im Körper oder auf der Haut vermehren und unser Immunsystem ständig (über-)fordern, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Nun dürfte klar werden, warum ich der Meinung bin, eine „Entzündung“ hat überhaupt keine Aussagekraft. Eine erhöhte Aktivität im Gebwebe sagt nichts über die Ursache aus, also ist es nur schwer möglich, eine pauschale Aussage wie „da muß Eis drauf“ zu machen.

Natürlich ist es möglich, einen Entzündungshemmer zu geben, aber ist es auch immer sinnvoll? Ich denke nicht!
Die erhöhte Aktivität im Gewebe kann ja durchaus erwünscht sein, zum Beispiel nach einer Muskel- oder Bandverletzung.
Bei einer (Sport-)Verletzung heißt es oft:
PECH:
Pause
Eis
Compression
Hochlagern
Eine Pause einzulegen leuchtet ein, aber warum Eis, Kompression und Hochlagern? Das Eis um die Gefäße engzustellen, also die mögliche Blutung zu stoppen. Die Kompression und das Hochlagern, damit nicht zu viel Blut in das verletzte Gebiet einfließen kann.
Soweit, so gut. Aber dieses PECH-Schema sollte nur die ersten 48 bis 72 Stunden angewendet werden, wenn die Blutung nach dieser Zeit noch immer nicht gestillt ist, sollte dringend die Blutgerinnung überprüft werden, aber Eis ist dann sicher nicht mehr das Mittel der Wahl!
Meiner Erfahrung nach heilen solche Verletzungen sogar oft schneller, wenn sie nach der Akutphase gewärmt werden! Wärme weitet die Gefäße, die Durchblutung steigt und der Stoffwechsel wird aktiviert, somit kann der Körper schneller mit der Heilung beginnen. Schonung allerdings ist weiterhin wichtig, das Gelenk oder der Muskel sind ja immer noch geschädigt.

Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn eine Verunreinigung vorliegt, dann ist eine Verteilung von möglichen Viren und Bakterien im ganzen Körper nicht gewünscht und kann sogar lebensbedrohlich sein.

Wenn Sie also das nächste mal denken oder gesagt bekommen „da ist eine Entzündung drin“, dann überlegen Sie genau: steril oder unsteril? Seit wann habe ich dieses Problem und was habe ich vorher gemacht?

Ist es eine Überlastung, eine Verletzung ohne Verunreinigung von außen oder ein inneres Problem?

Dann entscheiden Sie nach bestem Wissen und Rücksprache mit der Fachfrau oder dem Fachmann Ihres Vertrauens, wie Sie weiter vorgehen wollen.

„Dehnen hilft nichts“ oder: Studien und ihre Aussagen

Wie oft höre ich in meinem beruflichen Alltag (gerade von jüngeren Sportlern) den Satz: „Aber diese australische Studie besagt doch, daß Dehnungsübungen (und Gymnastik) nichts bringen!“

In meinen Augen ist das ja eigentlich bloße Bequemlichkeit und eine ordentliche Portion Faulheit, aber meistens versuche ich dann doch, diese Studie zu erklären.
Aber hier zunächst mal die Studie:
Studie der Universität Sydney

Was steht nun drin in dieser Studie aus Australien, auf die sich die dehnungsfaulen und -unwilligen so gerne berufen? Und ganz nebenbei gefragt: warum sind die meisten davon eigentlich Fußballer?

Die Studie ist, ganz nebenbei bemerkt, übrigens „nur“ eine Meta-Studie, das heißt, es werden bereits vorhandene Studien miteinander verglichen und statistisch ausgewertet. Sie befasst sich mit der Frage, ob Dehnungsübungen vor dem Sport eine Verletzungsprophylaxe darstellen bzw. ob damit ein Muskelkater verhindert werden kann. Diese Fragestellung wird durch die Studie ganz klar verneint, also scheint es ja so, als ob die genannten Gymnastikmuffel recht hätten…?

Vielleicht aber auch nicht, denn schaut man auf die häufigsten Verletzungen bei Fußballern, dann sind zwar die Prellungen an erster Stelle, aber dicht gefolgt von Muskel- und Gelenkverletzungen. Mein Beispiel für Sportler ist dann immer folgendes:
„Stell Dir vor, Du läufst über den Platz und ein Gegenspieler kommt mit einer bösen Blutgrätsche reingerutscht. Dehnst Du nicht, dann haben wir die „ach-so-beliebte“ Adduktorenzerrung, also eine Verletzung der Oberschenkel-Innenseite. Was aber, wenn Du einen Spagat könntest? Dann würdest Du kaltlächelnd wieder aufstehen und einfach weiterspielen und am besten direkt ein Tor schießen“

Ich gebe also zu, daß ein einmaliges Dehnen vor dem Sport nichts oder nur wenig bringt, ABER: regelmäßige Übungen zur Verbesserung der allgemeinen Beweglichkeit und Flexibilität bringen sehr wohl etwas, einfach deswegen, weil der Körper nicht so schnell an seine (Bewegungs-)Grenzen stößt.

Damit sind wir auch schon am Punkt meiner Überlegungen: wie kommt es eigentlich, daß Studien so oft falsch verstanden werden? Ist es einfach die Mentalität der Menschen, sich nur die Rosinen aus dem Kuchen zu picken? Es steht zu befürchten…! Leider kann eine Studie eben nicht nur dazu verwendet werden, Dinge, Therapien oder Gewohnheiten als Humbug zu entlarven, sondern auch, um unliebsame Dinge, Therapien oder Gewohnheiten in Mißkredit zu bringen, aber dazu ein andermal mehr!
Insofern: Leute, bewegt Euch!