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Den Schmerz verstehen – Teil 4: aus Sicht der chinesischen Medizin

Nachdem ich in den ersten drei Teilen meiner kleinen Serie Schmerzen allgemein und aus verschiedenen Blickwinkeln erläutert habe, möchte ich mich diesmal aus einer anderen Richtung annähern, quasi aus Fernost.

Die ursprüngliche chinesische Medizin „funktioniert“ ein wenig anders als unsere heutige Universitätsmedizin. Die klitzekleinen Details sind weniger von Bedeutung als vielmehr eine Gesamtbetrachtung des Menschen in allen Facetten. Als die chinesische Medizin vor mehreren tausend Jahren entstand gab es logischerweise sowieso keine Möglichkeit, einzelne Substanzen im Blut nachzuweisen, doch obwohl die alten Gelehrten kein Serotonin und kein Adrenalin, kein Cortisol und kein Dopamin kannten, entwickelten sie ein komplexes, funktionierendes Medizinsystem.

Natürlich kann man mit der chinesische Medizin viel mehr als Schmerzen behandeln, aber ich will beim Thema bleiben. Sollten Sie aber Fragen zu dieser oder jener Problematik haben, nur zu…

通则不痛 – 不通则痛
tōng   tòng tōng tòng. Dieser Auspruch bedeutet frei übersetzt „Wo freier Fluß ist gibt es keinen Schmerz, wenn Schmerzen da sind gibt es keinen freien Fluß.“ und dürfte die grundlegende Idee der chinesischen Schmerztherapie beinhalten. Eigentlich ganz ähnlich wie πάντα ῥεῖ  (panta rhei) bei Heraklit, alles fließt, auch wenn er dabei  sicher nicht an Akupunktur gedacht hat… Obwohl, wer weiß schon, was Heraklit gedacht hat?

Egal, die Frage ist, was fließt, warum es manchmal nicht fließt und was wir dagegen tun können.

Wenn in der östlichen Medizin von freiem Fließen die Rede ist, dann ist oft die „Lebensenergie“ gemeint. qi im chinesischen, ki im japanischen, Prana im indisch-ayurvedischen, Orgon bei W. Reich, die Idee ist im weitesten Sinne immer die selbe: eine oft mystisch verklärte Energie, welche die Funktion unserer Körper und der inneren organe im Gange hält. Aber das nur am Rande, darüber schreibe ich an anderer Stelle mehr.

Es gibt laut der chinesischen Medizin unterschiedliche Gründe warum Energie nicht mehr frei fließt, innere und äußere.

Äußere Ursachen können zum Beispiel klimatisch bedingt sein, Kälte, Zugluft, Feuchtigkeit, aber auch Hitze und Trockenheit sind äußere Ursachen. Auch wenn es von der Universitätsmedizin mehr oder weniger geleugnet oder ignoriert wird, Rheuma-Patienten, wetterfühlige Menschen und eigentlich alle kennen diese Einflüsse. Wer hat sich noch nie „einen Zug“ geholt, wenn es im Frühling oder im Spätsommer abends doch kälter war im (Bier-)Garten?

Als innere Ursachen gelten Emotionen, Trauer, Wut, Sorge, Freude und so weiter.
Einen Kloß im Hals vor Aufregung hatten sicher die meisten schon, oder einen Stein, der vom Herzen gefallen ist. Emotionen sind natürlich völlig normal und ganz wunderbar in Ordnung, nur wenn sie zu lange bestehen können sie zu Beschwerden führen. Tatsächlich kennt man heute sogar ein „broken heart Syndrom“ in der Medizin… auf deutsch weniger blumig „Stress-Kardiomyopathie“. Ein gebrochenes Herz kann im schlimmsten Falle tatsächlich zum Tode führen! Aus diesem Grund ist es sehr wichtig Emotionen nicht zu unterdrücken sondern beispielsweise Trauer auch zuzulassen.

Weitere Ursachen können Ernährung (Gicht), Verletzungen und noch einiges mehr sein.

Natürlich ist es selten nur eine Ursache…
das fette Essen UND der Bewegungsmangel UND der Stress mit diesem oder jener UND dramatisch-traumatische Ereignisse in der Kindheit…
das alles bringt uns zum „Jetzt-Zustand“.

Aber ich schweife ab, es geht um Schmerzen aus Sicht der chinesischen Medizin…
Was also ist zu tun, um den Schmerz möglichst schnell und endgültig loszuwerden?

Je nach Ursache und Stärke der Beschwerden kann der freie Fluß wieder hergestellt werden durch Massagen, Schröpfen, Akupunktur, qigong oder Yoga, Ernährungsumstellung und so weiter.

Letztenendes geht es in den eben genannten Therapiearten darum, Einschränkungen im freien Fluß zu beseitigen, dann kann der Körper sich selbst regenerieren, wenn wir ihn nur lassen.

Übrigens, wenn Sie Fragen haben, zu Schmerzen oder einem anderen Gesundheitsthema, dann melden Sie Sich doch einfach. Logischerweise kann ich online in einem Blog weder auf jede Erkrankuung eingehen noch ist es möglich (und auch verboten) eine Online-Ferndiagnose zu stellen, aber vielleicht kann ich mit einer Idee die Lösungssuche erleichtern.

Den Schmerz verstehen – Teil 2: was tut mir weh?

Nachdem ich in Teil 1 darüber berichtet habe, wie Schmerz eigentlich entsteht und welche lebenswichtige Funktion er hat möchte ich in Teil 2 darauf eingehen, wo wir überhaupt Schmerzen empfinden können und wie sich der Schmerz anfühlt. Denn Schmerz ist nicht gleich Schmerz!

Grundsätzlich kann fast jeder Bereich des Körpers Schmerzen verursachen, wenn auch nicht alle. Die Leber zum Beispiel gilt als nicht schmerzhaft. Damit sind wir schon bei einer Schmerzart: schmerzende Organe.
Die Nieren, der Magen und Därme, die Gallenblase, aber auch die Blase können Schmerzen verursachen. Diese sollten unbedingt von einem Spezialisten abgeklärt werden. Zwar gibt es auch naturheilkundliche Verfahren zur Linderung, aber ein Schmerz der inneren Organe kann ein lebensbedrohlicher Zustand sein, mit dem nicht zu spaßen ist! Danach kann man immer noch überlegen, ob und wie eine alternative Herangehensweise möglich und sinnvoll ist.

Ich möchte mich aber hier den weniger gefährlichen Arten von Schmerz widmen.
Zunächst unterscheidet man chronische und akute Schmerzen.

Ein akuter Schmerz kann häufig einem bestimmten Ereignis zugeordnet werden, ein Sturz, aber auch „nur“ eine ungeschickte Bewegung kann eine Ursache sein. Der akute Schmerz ist zeitlich begrenzt, wenn er auch im Falle eines Knochenbruches durchaus länger anhalten kann. In diesem Fall ist der Schmerz wie in Teil 1 beschrieben ein Warnsignal.

Chronische Schmerzen hingegen haben zwar vielleicht einen akuten Auslöser, bestehen aber über einen längeren Zeitraum: mindestens über mehrere Wochen oder Monate, dies ist nicht exakt definiert. In diesem Fall kann es auch zur Entstehung einer chronischen Schmerzkrankheit kommen, bei der das Schmerzempfinden sich sozusagen verselbstständigt und nicht mehr mit dem ursprünglichen in Zusammenhang steht.

Aber egal ob akut oder chronisch, die erste Maßnahme sollte wenn möglich die Ursachenbeseitigung sein, also das Messer mit dem ich mich in den Finger geschnitten habe beiseite legen oder aufhören mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Aber Spaß beiseite, bei einer solchen akuten Verletzung steht natürlich die Wundversorgung an erster Stelle, was ist aber, wenn die Ursache „nur“ eine Überanstrengung und keine offensichtliche Verletzung ist? Häufig ist es der Fall, daß wir sogar den Auslöser kennen („…als ich diesen Blumenkübel nach vorne gezogen habe ist es passiert“) aber es keine sichtbaren Verletzungen gibt.

Schauen wir uns genau diesen Fall an, ein schwerer Gegenstand wurde ruckartig bewegt.
Die Folge kann eine Verletzung der Muskulatur, der Gelenke, der Knochen oder der berühmt-berüchtigten Bandscheiben sein. Um es uns nicht zu einfach zu machen ist es meiner Erfahrung nach meistens eine Kombination aus mehreren Faktoren. Die Behandlungsmöglichkeiten für die einzelnen Bereiche werde ich an anderer Stelle vorstellen, gehen wir nun einfach mal davon aus, daß zwei Tage Pause gereicht haben, um wieder einigermaßen arbeitsfähig zu sein.
Wohlgemerkt, einigermaßen!
Es ist nicht so, daß nichts mehr zu spüren wäre, der ganze Rücken ist irgendwie „steif“, die Muskeln fühlen sich an wie aus Beton gegossen, ab und zu knackt es im Rücken…

Man braucht keine Kristallkugel, kein Röntgengerät oder sonstige hellseherische Fähigkeiten um eines mit Sicherheit sagen zu können:
wenn nichts unternommen wird, wird das der Beginn einer langen Freundschaft…
… einer Freundschaft mit Ärzten und Therapeuten, Medikamenten, Röntgenstrahlen und allem was dazu gehört.
Wird nichts unternommen, wird sich auf jeden Fall die Muskulatur immer weiter verhärten, es wird zu Ausweichbewegungen kommen, die dann wiederum weitere Schmerzen nach sich ziehen können. So kann es langfristig dazu kommen, daß der ursprüngliche Schmerz längst nicht mehr von Bedeutung ist, aber trotzdem der ganze Körper mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen ist.

Wichtig ist es also festzustellen, welche Bereiche des Körpers betroffen oder verletzt sind:
ist es „nur“ die Muskulatur, ist ein Wirbel oder das Kreuz-Darmbein-Gelenk (abgekürzt auch ISG oder SIG, Sacro-Iliacal-Gelenk bzw. Iliosacralgelenk) verschoben, sind im schlimmsten Fall Nerven oder Knochen verletzt?

Dann können die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, über die ich demnächst hier berichten möchte.

„Dehnen hilft nichts“ oder: Studien und ihre Aussagen

Wie oft höre ich in meinem beruflichen Alltag (gerade von jüngeren Sportlern) den Satz: „Aber diese australische Studie besagt doch, daß Dehnungsübungen (und Gymnastik) nichts bringen!“

In meinen Augen ist das ja eigentlich bloße Bequemlichkeit und eine ordentliche Portion Faulheit, aber meistens versuche ich dann doch, diese Studie zu erklären.
Aber hier zunächst mal die Studie:
Studie der Universität Sydney

Was steht nun drin in dieser Studie aus Australien, auf die sich die dehnungsfaulen und -unwilligen so gerne berufen? Und ganz nebenbei gefragt: warum sind die meisten davon eigentlich Fußballer?

Die Studie ist, ganz nebenbei bemerkt, übrigens „nur“ eine Meta-Studie, das heißt, es werden bereits vorhandene Studien miteinander verglichen und statistisch ausgewertet. Sie befasst sich mit der Frage, ob Dehnungsübungen vor dem Sport eine Verletzungsprophylaxe darstellen bzw. ob damit ein Muskelkater verhindert werden kann. Diese Fragestellung wird durch die Studie ganz klar verneint, also scheint es ja so, als ob die genannten Gymnastikmuffel recht hätten…?

Vielleicht aber auch nicht, denn schaut man auf die häufigsten Verletzungen bei Fußballern, dann sind zwar die Prellungen an erster Stelle, aber dicht gefolgt von Muskel- und Gelenkverletzungen. Mein Beispiel für Sportler ist dann immer folgendes:
„Stell Dir vor, Du läufst über den Platz und ein Gegenspieler kommt mit einer bösen Blutgrätsche reingerutscht. Dehnst Du nicht, dann haben wir die „ach-so-beliebte“ Adduktorenzerrung, also eine Verletzung der Oberschenkel-Innenseite. Was aber, wenn Du einen Spagat könntest? Dann würdest Du kaltlächelnd wieder aufstehen und einfach weiterspielen und am besten direkt ein Tor schießen“

Ich gebe also zu, daß ein einmaliges Dehnen vor dem Sport nichts oder nur wenig bringt, ABER: regelmäßige Übungen zur Verbesserung der allgemeinen Beweglichkeit und Flexibilität bringen sehr wohl etwas, einfach deswegen, weil der Körper nicht so schnell an seine (Bewegungs-)Grenzen stößt.

Damit sind wir auch schon am Punkt meiner Überlegungen: wie kommt es eigentlich, daß Studien so oft falsch verstanden werden? Ist es einfach die Mentalität der Menschen, sich nur die Rosinen aus dem Kuchen zu picken? Es steht zu befürchten…! Leider kann eine Studie eben nicht nur dazu verwendet werden, Dinge, Therapien oder Gewohnheiten als Humbug zu entlarven, sondern auch, um unliebsame Dinge, Therapien oder Gewohnheiten in Mißkredit zu bringen, aber dazu ein andermal mehr!
Insofern: Leute, bewegt Euch!